Partner-Projekt
Wie der Potenzialatlas Wasserstoff eine deutsch-afrikanische Energie-Partnerschaft vorbereitet
Deutschland kann seinen Bedarf an Grünem Wasserstoff nicht alleine decken – denn Wind und Sonne liefern hierzulande nicht genügend Energie. Die Bundesregierung setzt in der Nationalen Wasserstoffstrategie daher auf Kooperationen – unter anderem mit West- und Süd-Afrika. Ein Atlas analysiert die Potenziale für die Produktion und den Export von Grünem Wasserstoff und untersucht dabei auch soziale Faktoren. Erste Ergebnisse zeigen immense Potenziale einer Wasserstoff-Partnerschaft.

Grüner Wasserstoff ist ein Schlüsselelement der Energiewende. Mit seiner Hilfe lassen sich Industrie, Flug- und Schwerlastverkehr klimafreundlich gestalten. Allerdings hat Deutschland weder genügend freie Flächen noch genügend Wind- und Sonnenenergie, um seinen Wasserstoffbedarf selbst decken zu können. Deutschland wird daher auch langfristig Grünen Wasserstoff importieren müssen. Zum Beispiel aus West- und Südafrika. Um herauszufinden, welche Potenziale es für die Produktion und den Export von Grünem Wasserstoff in Afrika gibt, fördert das Bundesforschungsministerium seit 2020 einen „Potenzialatlas Grüner Wasserstoff in Afrika“. Er untersucht für über 31 afrikanische Staaten die Potenziale der Produktion und des Exports von Grünem Wasserstoff.
Als Projektergebnis wird eine interaktive Karte die verfügbaren Flächen sowie Energie- und Wasserressourcen für die Produktion von Grünem Wasserstoff zeigen. Des Weiteren fließen Informationen zu der Kosteneffizienz der Produktion von Grünem Wasserstoff, dem lokalten Energiebedarf und den sozialien und gesellschaftspolitischen Bedingungen in die Karte ein. Die Ergebnisse für das westliche und südliche Afrika zeigen: Der Kontinent könnte in Zukunft ein wichtiger Partner für die deutsche Wasserstoffwirtschaft werden.
Er betrachtet neben den Bedingungen für die Erzeugung Erneuerbarer Energien und der notwendigen Infrastruktur insbesondere die Möglichkeiten einer nachhaltigen Entwicklung vor Ort. Am Donnerstag, den 20.05., hat Bundesforschungsministerin Anja Karliczek erste Atlas-Ergebnisse für die 15 Staaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) vorgestellt. Sie zeigen: Afrika könnte in Zukunft ein wichtiger Partner für die deutsche Wasserstoffwirtschaft werden.
Das sind die wichtigsten Ergebnisse für 15 Staaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS):
- Allein in Westafrika ließen sich jährlich maximal bis zu 165.000 TWh Grüner Wasserstoff herstellen. Zum Vergleich: Das entspricht 110mal der Menge an Grünem Wasserstoff, die Deutschland 2050 voraussichtlich wird importieren müssen.
- Von diesen 165.000 TWh Wasserstoff ließen sich jährlich rund 120.000 TWh für unter 2,50 Euro pro Kilogramm herstellen. Zum Vergleich: Studien gehen davon aus, dass die Kosten für ein Kilo Wasserstoff in Deutschland sogar 2050 noch rund 3,80 Euro betragen werden.
- Solar-Energie lässt sich am günstigsten in den nördlichen Regionen Westafrikas erzeugen, Wind-Energie in den südlichen. Wegen der geringen Stromgestehungskosten von Solar-Energie unter 2 Cent pro kWh im Norden Westafrikas sind hier die Kosten für die Herstellung Grünen Wasserstoffs besonders niedrig. Zum Vergleich: Die Stromgestehungskosten mit Erneuerbaren Energien in Westafrika sind rund 30 Prozent niedriger als in Deutschland.
- Es ist möglich, Westafrikas örtlichen Energiebedarf zu decken – ohne den Energiebedarf für die Produktion von Grünem Wasserstoff erheblich einzuschränken.
- Der Aufbau einer auf Grünem Wasserstoff basierenden Wirtschaft geht sowohl in städtischen als auch ländlichen Regionen Westafrikas mit hohem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen einher. Das macht Wasserstoff-Technologien interessant für afrikanische Entscheider aus Politik und Wirtschaft – und erhöht die Wahrscheinlichkeit eines schnellen Einstiegs in die Wasserstoff-Wirtschaft.
Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger veröffentlichte im Frühjahr 2023 den Potenzialatlas auch für die 16 Länder des südlichen Afrikas. Das sind die wichtigsten Ergebnisse:
- Das nationale Erzeugungspotenzial im südlichen Afrika liegt bei etwa 8,5 Petawattstunden Wasserstoff pro Jahr. Eine Petawattstunde ist das Billionenfache einer Kilowattstunde. Mit diesem Wasserstoff-Erzeugungspotenzial könnte das südliche Afrika zum globalen Powerhouse werden.
- Auch die Flächen für die Produktion von erneuerbarem Strom für die Elektrolyse wären vorhanden: Auf fast 72 Prozent der Landflächen könnte mit Hilfe der Windkraft erneuerbarer Strom erzeugt werden. Und 12 Prozent der Flächen wären potenziell für Photovoltaik geeignet. Dabei ist der Algorithmus des Potenzialatlas‘ so ausgelegt, dass nicht geeignete Flächen – wie Nationalparks sowie Sperrzonen um Siedlungen –nicht berücksichtigt werden.
- Die Erzeugungskosten für Grünen Wasserstoff werden international konkurrenzfähig sein. Der Potenzialatlas hat prognostiziert, dass in Südafrika ein Kilogramm Wasserstoff im Jahr 2050 für unter zwei Euro produziert werden kann.
Aufgrund der Knappheit von Frischwasser in der Region wird es ohne die Entsalzung von Meerwasser oder die Aufbereitung von Schmutzwasser nicht gehen. Bisherige Analysen zeigen, dass zum Beispiel eine Meerwasserentsalzung die Kosten für Wasserstoff nur in sehr geringem Maße beeinflusst.
Nach diesen Zahlen könnte sich Afrika mit Energie versorgen und von einer nachhaltigen Energie- und Wasserversorgungs-Infrastruktur und dem Wasserstoff-Export profitieren.
Wie es in Kenia, Uganda und Burundi im östlichen Afrika sowie Mauretanien aussieht, werden die für diese Länder gerade erhobenen Daten zeigen.
Die ersten Daten für das südliche und das westliche Afrika zeigen diese interaktiven Karten. Sie werden im weiteren Verlauf des Projektes kontinuierlich erweitert und aktualisiert.
Fragen und Antworten zum Potenzialatlas
Verfügbarkeit von Frischwasser für die Elektrolyse ist ein wichtiges im Atlas berücksichtigtes Kriterium. Der Potenzialatlas Wasserstoff zeigt aktuell, dass zwar in vielen Regionen Westafrikas genügend Wasser für die Produktion von Grünem Wasserstoff zur Verfügung stünde – allerdings zumeist dort, wo verhältnismäßig schlechte Bedingungen für die Erzeugung von Grünstrom herrschen. Einerseits gilt es daher, die Stärken der verschiedenen Regionen durch Kooperationen und neue Infrastrukturen zusammenzubringen. Andererseits wird der Wasserstoff zukünftig vor Ort auch aus entsalztem Meerwasser hergestellt werden. Wenn Meerwasserentsalzung eingerechnet wird, steigt das Potenzial der Wasserstofferzeugung in Westafrika um 80 Prozent. Hierbei kommt der Potenzialatlas zu dem Ergebnis, dass die Kosten der Entsalzung den Wasserstoff-Preis in nicht erheblichem Maße erhöhen würde. Eine weitere Option wäre zudem die Herstellung von Wasserstoff direkt aus Meerwasser. Diese Technologie steht allerdings noch relativ am Anfang – und wird derzeit im BMBF-Wasserstoff-Leitprojekt H2Mare sowie im Grundlagenforschungsprojekt H2Meer weiterentwickelt.
Um den Nutzen als Zahl abzubilden, haben Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich einen Index für den sozioökonomischen Nutzen entwickelt. Er hat fünf Ausprägungen von „sehr gering“ bis „sehr hoch“ und kombiniert auf regionaler Ebene mehrere Zeitreihen-Analysen über die wahrscheinliche Wirkung eines Ereignisses. Beispielsweise bildet er ab, welche Auswirkungen die Produktion von Grünem Wasserstoff höchstwahrscheinlich auf die lokale Energieversorgung, den Arbeitsmarkt, die örtliche Bildung, Gesundheit und individuelle Entwicklungschancen hätte. Die dafür entwickelten Algorithmen sind so komplex, dass das Team des Potenzialatlas Rechenzeit auf dem Jülicher Supercomputer anmieten musste. Publikationen zur Methodik der Berechnung werden noch in 2021 erwartet.
Noch im laufenden Jahr will das BMBF zusammen mit der Industrie erste Demonstrations- und Pilotvorhaben umsetzen und die Produktion von Grünem Wasserstoff in der Praxis testen – und zwar zuerst in den Regionen, die laut Potenzialatlas besonders geeignet sind.
Die Auswertung des Potenzialatlas ist noch in vollem Gange. Die Suche nach geeigneten Kooperationspartnern sowohl aus Westafrika als auch aus Deutschland hat gerade erst begonnen. Wir laden interessierte Unternehmen ein, sich mit dem Atlas, der ständig aktualisiert wird, einen Überblick zu verschaffen. Wir werden zeitnah mehrere Formate schaffen, durch die sich Unternehmen einbringen und Projektideen vorschlagen können. Die Projektpartner werden bekannt gegeben, sobald die ersten Projekte ihre Arbeit aufnehmen.
Bedingung für die Pilotprojekte des Bundesforschungsministeriums ist zunächst die Sicherstellung der lokalen Energieversorgung – und die nachhaltige Wassernutzung. Die gemeinsame Entwicklung des Atlas war von Anfang an unser Anliegen – aus diesem Grund werden die Klimakompetenzzentren WASCAL und SASSCAL in Afrika gleichberechtigt gefördert. Zudem hat das BMBF ein Graduiertenprogramm entwickelt, um westafrikanisches Fachpersonal für den Einsatz von Wasserstofftechnologien auszubilden. Es startet noch dieses Jahr.
Darüber hinaus hat Grüner Wasserstoff „Made in Africa“ einen gesamtgesellschaftlichen Nutzen in den Erzeugungsregionen und schafft Arbeitsplätze in Deutschland und in Afrika gleichermaßen.
Grundsätzlich soll für den Wasserstofftransport möglichst bereits vorhandene Transport-Infrastruktur genutzt werden. Auch diese wird im Rahmen des Atlas‘ untersucht und dargestellt. Durch die Bindung von Wasserstoff in flüssigen Energieträgern wie Ammoniak oder Kraftstoff oder an organische Trägerflüssigkeiten (LOHC) ließe sich Wasserstoff beispielsweise in Tankern transportieren. Zudem entwickelt das BMBF-Wasserstoff-Leitprojekt TransHyDE gerade spezielle, hochsichere Container für den Wasserstoff-Transport via Schiff – sowohl unter Hochdruck als auch tiefkalt. Welche die optimale Technologie zum Aufbau einer Wasserstoff-Transport-Infrastruktur ist, soll allerdings ebenfalls in Pilotprojekten getestet werden.
Die Erstellung des Potenzialatlas ist eine der 38 Maßnahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie (Maßnahme 36). Seine Umsetzung ist wiederum eine der Voraussetzungen für Maßnahme 24 der Strategie: Demonstrationsprojekte zu internationalen Lieferketten. Die Ausbildung von afrikanischem Fachpersonal zahlt zudem auf Maßnahme 29 – Ausbildung – ein.